chi and h site logo

30 Jahre Radiosternwarte Stockert

Radioteleskop
25-m-Radioteleskop auf dem Stockert

"Als wir früher mal hier wanderten, war der Stockert noch kahl, kein Wald und kein Radioteleskop", so berichteten mir Wanderer, die mich nach dem Weg fragten. Ich erwiderte, daß das wohl schon einige Jahre her sein müsse; und in der Tat: Schon seit 30 Jahren ziert eine 25 m große "Salatschüssel" den 435 m hohen Berg bei Bad Münstereifel.

Der kürzlich verstorbene Prof. Friedrich Becker bestimmte damals die Geschicke der Bonner Astronomie. Er hatte bereits den Umzug der optischen Teleskope aus dem Bonner Stadtgebiet heraus auf den Hohen List bei Daun eingeleitet. Er bemühte sich auch um den Bau einer "Radiosternwarte" in der Eifel. Unterstützt wurde er dabei von dem Staatssekretär L. Brandt; und das Land Nordrhein-Westfalen finanzierte das Projekt. Während des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach hatten andere Staaten, insbesondere Australien und das Vereinigte Königreich, Fortschritte in der Radar- und Mikrowellentechnik gemacht. Deutschland war die Tätigkeit auf diesem Gebiet zunächst von den Allierten untersagt gewesen. Mit 25 m Durchmesser hatten die Bonner eines der bis dahin größten Radioteleskope. In Dwingeloo, Niederlande, befand sich ein ebenso großes Instrument. Aber schon ein Jahr später ging in Jodrell Bank bei Manchester ein voll steuerbares 75-m-Teleskop in Betrieb, während in Cambridge schon seit 1948 Versuche mit Radiointerferometerns angestellt worden waren. Den Vorsprung aufzuholen, wurde dadurch erschwert, daß bis 1964 die halbe Teleskopzeit den Hochfrequenzphysikern des Verteidigungsministeriums für Radarversuche und Versuche zur Wellenausbreitung abgegeben werden mußte.

Die Anforderungen an die Größe und Genauigkeit eines Spiegels sind abhängig von der zu beobachtenden Wellenlänge. Die klassischen Wellenlängen der Radioastronomie sind ca. eine Million Mal größer als in der optischen Astronomie. Daher ist trotz der riesigen Antennendurchmesser die Winkelauflösung recht bescheiden. Für den Stockert beträgt das Auflösungsvermögen 34' bei 21 cm Wellenlänge, 18' bei 11 cm. Andererseits ist die Anforderung an die Genauigkeit der parabolischen Fläche relativ unkritisch: So besteht der 25-m-Spiegel aus zusammengesetzten perforierten Aluminiumblechen mit Löchern von ca. 8x8 mm. Dadurch sollte der Winddruck verringert werden, der bei der exponierten Lage des Teleskops auf dem Gipfel des Berges erheblich ist. Die Genauigkeit der Oberfläche ist etwa 2 mm, so daß auch Beobachtungen bei 6 cm Wellenlänge noch möglich wären.

Die Antenne wurde zunächst im Primärfokus betrieben: Auf der Symmetrieachse des Spiegels führte ein Rohr vom Scheitel zum Brennpunkt, wo eine Dipolantenne installiert war. Die empfangene Radiostrahlung gelangte durch ein Kabel im Standrohr zum Empfänger, dessen erste Stufe sich in der Meßkabine hinter dem Spiegel befand. Die große Leitungslänge zwischen dem Dipol und der ersten Verstärkerstufe des Empfängers führte zu unerwünschtem zusätzlichen Rauschen. Die sogenannte Systemtemperatur betrug anfangs mehrere Tausend Grad Kelvin. Aus diesem Rauschen, das im Wesentlichen von den Leitungen und elektronischen Bauteilen des Empfangssystems herrührt, mußte ein astronomisches Signal von einigen Kelvin herausgefischt werden.

Es stellte sich bald heraus, daß die finanzielle und personelle Kapazität der Sternwarte der Universität nicht ausreichte, um den Betrieb des Stockert zu gewährleisten. So richtete die Universität Anfang der sechziger Jahre zwei weitere Lehrstühle ein. Den Lehrstuhl für Astrophysik und extraterrestrische Forschung erhielt Prof. Wolfgang Priester, der schon bevor er 1956 nach Bonn kam, in Kiel radioastronomisch tätig gewesen war. Direktor des Radioastronomischen Institutes der Universität wurde Prof. Otto Hachenberg aus Berlin. Zudem wurde 1964 der "Verein zur Förderung der radioastronomischen Forschung" gegründet, der mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen die Radioastronomie an der Universität Bonn unterstützte.

1966 wurde der Spiegel zu einem Cassegrain-System umgebaut. Der knapp 2.5 m große Sekundärspiegel ruht auf vier Stützbeinen. Im Sekundärfokus mußte nun statt eines Dipols eine - wesentlich schwerere - Hornantenne eingebaut werden. Diese hat bessere Empfangseigenschaften. Durch einen Hohlleiter wird die Strahlung dem Empfänger zugeführt. Die geringere Leitungslänge und die Ausführung als Hohlleiter verringerten das Rauschen erheblich. Zur Verdeutlichung des Fortschritts in der Empfängertechnik sei gesagt, daß für 21-cm-Beobachtungen am Effelsberger 100-m-Teleskop Systemtemperaturen von 40 bis 60 Kelvin üblich sind.

1942 hatte van de Hulst die Existenz einer Emissionsline des interstellaren Wasserstoffes bei 21 cm Wellenlänge vorausgesagt. In den fünfziger Jahren galt das Hauptinteresse der Radioastronomen dieser Linienstrahlung. So wurde auch für den Stockert ein Empfänger für 21 cm Wellenlänge konstruiert. Um die spektrale Struktur der Linie zu untersuchen, sind extrem kleine Empfängerbandbreiten erforderlich. Die Breite eines Frequenzkanals betrug nur ca. 15 kHz, was in Radialgeschwindigkeiten des Wasserstoffes etwa 3 km/s entspricht. Dieses erste Radiospektrometer hatte nur einen Kanal, so daß zur Aufnahme eines kompletten Spektrums ein Frequenzkanal nach dem anderen gemessen werden mußte. Später wurde eine Filterbank mit immerhin zehn Frequenzfiltern eingesetzt, die benachbarte Kanäle gleichzeitig beobachteten. Das abgebildete Spektrum wurde in der galaktischen Ebene gewonnen, wo die Strahlung vergleichsweise stark ist. Mit 4 min Integrationszeit wurde in ca. 4 h ein Spektrum mit 60 Datenpunkten erhalten. Ebenfalls in 4 min erhält man heute in Effelsberg ein komplettes Spektrum mit 1024 Datenpunkten; es geht also 60000mal schneller. Und dabei sind die Messungen so empfindlich, daß man viel schwächere Linien finden kann.

21 cm Profil aus der Fruehzeit
Abb.1. Schreiberregistrierung für die Messung eines Linienprofils. Die Zeit läuft von rechts nach links. Für jeden Frequenzkanal wurde 4 min integriert. Der Zeigerausschlag wächst in dieser Zeit von Null auf den Meßwert und fällt abrupt wieder auf Null bevor der nächste Kanal gemessen wird. Nach jeweils 4 min wird die Empfangsfrequenz um 11.5 kHz erhöht, so daß die Zeitachse auch als Frequenzachse aufgefaßt werden kann. Die Meßdauer für dieses eine Profil betrug ca. vier Stunden. (Entnommen aus: P. G. Mezger, Mitteilungen der Universitäts-Sternwarte Bonn 25)

Neben der Linienstrahlung interessierte man sich auf dem Stockert von Anfang an auch für die kontinuierliche Strahlung. Diese Strahlung erstreckt sich über einen viel größeren Frequenz- oder Wellenlängenbereich. Daher darf die Empfängerbandbreite hierfür viel größer sein. Für Kontinuumsmessungen beschränkte man sich nicht lange auf die Wellenlänge von 21 cm, sondern beobachtete auch bei 11 cm. Nach dem Umbau zum Cassegrain-System wurde ein gekühlter sog. parametrischer Verstärker für 11 cm eingesetzt. In den Jahren 1970 bis '76 wurde dann wieder bei 21 cm (vornehmlich Kontinuum) beobachtet, und seit 1978 wird auf dem Stockert bei 11 cm beobachtet; Spektroskopie wird nicht mehr betrieben.

In der Schule gehörte ich zum letzten Jahrgang, der noch den Umgang mit dem Rechenschieber gelernt hat. Ich bin also schon mit Taschenrechner aufgewachsen und kann mir astronomische Forschung ohne Großrechner kaum vorstellen. 1956 standen für die Aufgaben der Teleskopsteuerung und Datenaufnahme natürlich noch keine Computer zur Verfügung.

Bemerkenswert finde ich die Art, wie auf dem Stockert die Umrechnung der Koordinaten vom parallaktischen ins horizontale System realisiert wurde. Dazu diente ein mechanisches Gebilde, das quasi aus zwei Fernrohrmontierungen, also vier Drehachsen, bestand. Die Einstellung von Stundenwinkel und Deklination and den dafür vorgesehenen Achsen erzwang eine bestimmte Stellung der beiden anderen Achsen, and denen sodann Azimut und Höhe abgelesen werden konnten. Deklination und Stundenwinkel wurden durch die Steuerelektronik eingestellt und nachgeführt. Auch die Ablesung von Azimut und Höhe geschah elektronisch.

Die Datenaufnhame war - wenn man so will - noch primitiver: Die Ausgangsleistung des Empfängers wurde durch einen Analogschreiber als Funktion der Zeit auf Papier aufgezeichnet. Da der Beobachter wußte, wann das Teleskop wohin gerichtet gewesen war, konnte der Schreiberausschlag einer bestimmten Stelle am Himmel zugeordnet werden. Die Datenreduktion bestand darin, diese Zuordnung vorzunehmen und die Linien gleicher Intensität am Himmel zu verbinden. So entstand ein Konturplot analog den Isobaren auf der Wetterkarte.

Erst 1968/69 wurde ein Prozeßrechner installiert, der sowohl die Koordinatentransformation und Teleskopsteuerung wie auch die Datenaufnahme auf Magnetband besorgte. Jener Rechner war ein - nach heutigen Maßstäben - großes Gerät, das auch eine (im Winter spürbare) Menge Wärme produzierte. Vor einigen Jahren mußte es wegen "Altersschwäche" abgelöst werden.

modernes 21 cm Profil
Abb.2. Und so sieht das Ergebnis einer modernen Messung der 21-cm-Linie aus. Die Abzisse gibt in dieser Darstellung nicht die Frequenz an, sondern die Geschwindigkeit des Gases auf uns zu oder von uns weg, die sich aufgrund des Dopplereffektes aus der Frequenz ergibt. (© Radioastronomisches Institut der Universität Bonn)

Die Datenaufnahme auf Magnetband hat die Datenreduktion revolutioniert. Der Rechner übernimmt heute die Zuordnung der gemessenen Strahlung zur Position am Himmel und liefert auch schon die Konturkarte auf einem angeschlossenen Plotter. Während also einerseits die Messung seit den Anfängen wesentlich schneller geworden ist, geht auch die Reduktion der Daten schneller als früher. Die Interpretation liegt aber nach wie vor allein in den Händen des Astronomen, der ebenfalls nach effektiveren Wegen suchen muß, die Meßdaten zu "begreifen". Da in den letzten Jahre auch die optischen Astronomen sich des Rechners als Hilfsmittel bedienen, enstand der Begriff der astronomischen Bildverarbeitung. Man beschränkt sich hier nicht mehr auf Konturplots, sondern kann die Karten der Intensitätsverteilung auf Farbmonitoren darstellen. Verschiedene Intensitäten werden dann durch verschiedene Farben dargestellt, und diese Farbcodierung kann augenblicklich verändert werden; der Astronom kann mit den Daten spielen.

Die Magnetbänder mit den Meßdaten werden in Bonn in den Rechner des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie eingelesen, wo auch der größte Teil der Datenreduktion stattfindet. Für die astronomische Bildverarbeitung ist hingegen der Rechner des Radioastronomischen Institutes der Universität gedacht.

Wie erwähnt, stand am Anfang die 21-cm-Linie des interstellaren atomaren Wasserstoffs im Blickpunkt der Radioastronomen. Da die Milchstraße nicht wie eine starre Scheibe rotiert, sondern innen schneller als außen, beobachtet man die Linie i.a. nicht bei ihrer eigentlichen Frequenz. Das Wasserstoffgas bewegt sich auf die Sonne zu oder von ihr weg, was aufgrund des Dopplereffektes zu einer Änderung der beobachteten Frequenz führt. Blickt man in eine bestimmte Richtung in der Milchstraße, so kann man in Kenntnis der Rotationsgeschwindigkeit als Funktion des Abstandes vom galaktischen Zentrum den verschiedenen Geschwindigkeiten verschiedene Entfernungen zuordnen. Die Hoffnung, ein detailliertes Bild der räumlichen Verteilung des Wasserstoffs zu erhalten und darin eine Spiralstruktur der Milchstraße zu erkennen, wurde allerdings nicht vollständig erfüllt. Dennoch waren und sind Beobachtungen der 21-cm-Linie von Bedeutung, um Aussagen über die Milchstraße und das interstellare Medium zu erhalten. Auch wurde auf dem Stockert der Zusammenhang anderer Objekte wie offene und Kugelsternhaufen und HII-Regionen mit dem neutralen Wasserstoff untersucht.

In den sechziger Jahren begann man mit der Planung eines größeren Teleskops mit 100 m Durchmesser. Aus diesem Anlaß wurde 1967 das Max-Planck-Institut für Radioastronomie gegründet. Hachenberg wurde Direktor auch des MPIfR, das nun neben dem Betrieb des 100-m-Spiegels die Aufgaben des Fördervereins und den Betrieb des 25-m-Teleskops übernahm. Mit dem Betriebsbeginn in Effelsberg ließ bei den Beobachtern das Interesse am Stockert nach. Seither wird der 25 m-Spiegel wieder von der Universität betrieben. Es war nun möglich, Langzeitprojekte in Angriff zu nehmen. So wurden 1974 bis '76 eine Anzahl von Pulsaren immer wieder beobachtet. In den Jahren 1972 bis '76 wurde der gesamte Himmel nördlich der Deklination -19° in der 21-cm-Kontinuumsstrahlung beobachtet. Seit 1979 wird ein ähnliches Projekt bei 11 cm durchgeführt. Da bei 11 cm die Winkelauflösung doppelt so gut ist und also viermal so viele Meßpunkte zu beobachten sind, wäre zur Beobachtung des gleichen Areals wesentlich mehr Zeit erforderlich. Man beschränkt sich daher auf einen etwa 40° breiten Streifen, der dem Band der Milchstraße an der Sphäre folgt. Im Unterschied zum 21-cm-Survey wird hier auch die Polarisation der Radiostrahlung analysiert.

Für die kontinuierliche Radiostrahlung sind Elektronen verantwortlich, die im interstellaren Medium als freie Teilchen vorkommen. Diese geben eine breitbandige Strahlung ab, wenn sie auf gekrümmte Bahnen gezwungen werden. Man unterscheidet zwei verschiedene Ursachen für die Ablenkung der Elektronen: In einer HII-Region bilden Elektronen und Protonen ein heißes Plasma. Bei gegenseitigen Stößen werden die Elektronen aufgrund der elektrostatischen Abstoßung auf einer Hyperbelbahn abgelenkt. Die abgegebene Strahlung nennt man thermisch, da die Ursache der Strahlung letztlich die thermische Bewegung der Elektronen ist. Davon wird die nichtthermische oder Synchrotronstrahlung unterschieden. Hier werden relativistische, also wesentlich schnellere, Elektronen in einem Magnetfeld auf Helixbahnen gezwungen. In beiden Fällen ist die Intensität der Strahlung umso geringer, je kleiner die beobachtete Wellenlänge ist. Diese Abnahme ist aber für thermische Strahlung wesentlich schwächer als für nichtthermische. (Dies gilt nur, weil die Milchstraße für Radiostrahlung durchsichtig ist.) Durch Beobachtung bei mehreren verschiedenen Frequenzen kann entschieden werden, ob man thermische oder nichtthermische Strahlung beobachtet. Oder man kann versuchen, die beiden Anteile, die sich im allgemeinen überlagern, zu trennen.

Kontrollraum
Abb.3. Die Teleskopsteuerung und die Datenaufzeichnung werden heute vom Rechner bestimmt. Zentrale Bedeutung hat hier ein Microcomputer, der sich im mittleren der Schränke links versteckt. Die Tastatur und ein Zusatzmonitor sind rechts im Bild. And diesem Rechner wird das Fahrprogramm eingegeben. Gemeinsam mit dem Lageregler-Prozessor sorgt der Rechner dafür, daß das Teleskop diesem Programm entsprechend am Firmament entlangfährt. Der Rechner bekommt also von einer elektronischen Ableseeinheit die Information, wohin das Teleskop wirklich gerade gerichtet ist, vergleicht dies mit der Sollposition und steuert die Antriebsmotoren, um eine evtl. Korrektur zu erreichen. Der gleiche Rechner bekommt aber auch alle 16 Millisekunden einen Meßwert vom Empfänger und leitet diese Daten - gemeinsam mit Informationen über die beobachtete Position, die Zeit usw. alle vier Sekunden an die Magnetbandeinheit (im mittleren Schrank) weiter. Die Magnetbänder werden nach Bonn gebracht, wo der Beobachter an den dortigen Großrechnern nach Belieben mit den Daten herumspielen kann. Im rechten Schrank ist die Elektronik mit der Lageregelung untergebracht. Auf dem Tisch dahinter befindet sich ein Personal Computer, der den Datentransfer zum Magnetband "abhört". Damit kann relativ schnell eine erste Stufe der Datenreduktion durchgeführt werden, um die Qualität der Messungen zu beurteilen. Im linken Schrank befindet sich ein Homecomputer der ersten Generation, der die Meßwete vom Empfänger aufbereitet und auf den Schreiber darunter gibt. Im Hintergrund sind noch zwei Schränke versteckt, wo Empfängersteuerung, Zeitbasis und Wetteranzeige untergebracht sind. Ein wichtiges Instrument zur Planung der Meßprogramme ist das "Beobachtometer", das neben der Tastatur liegt. Frühere Generationen von Astronomen nannten so etwas ein Astrolabium, bei den Amateuren ist es eher unter dem Namen "drehbare Sternkarte" bekannt.
(Foto: hm)


Stockert aus der Ferne
Abb.4. Schon von weitem sieht man das 25-m-Teleskop auf dem Stockert. Kehrseite der Medaille: Der Empfang der kosmischen Radiostrahlung ist stark beeinträchtigt durch Störstrahlung aufgrund menschlicher Aktivitäten, namentlich Radarsignale. Weiter links ist der 10-m-Spiegel zu erkennen.
(Foto: hm)


Sekundaerfokus mit Empfangshorn
Abb.5. Neben dem großen Empfangshorn im Sekundärfokus des Spiegels ist hier ein kleineres Sendehorn zu erkennen. Damit wird im 32-ms-Takt ein Signal bekannter Intensität gesendet. Da dieses Signal vom Sekundärspiegel ins Empfangshorn reflektiert wird, zeigt das Empfangssignal eine periodische Schwankung bekannter Stärke, die zur Eichung der Empfängerempfindlichkeit verwandt wird. Die Gebläse am Haupthorn halten die Abdeckung des Hornes trocken. Wasser auf der Abdeckung würde zu unerwünschten Schwankungen im empfangenen Signal führen.
(Foto: hm)


Koordinatenwandler
Abb.6. So sieht der mechanische Koordinatenwandler aus, der bis Ende der sechziger Jahre die Transformation von astronomischen Koordinaten in horizontale bewerkstelligte. Mit Elektromotoren wurde an zwei Achsen die Deklination und der Stundenwinkel eingestellt. Dadurch ergab sich eine bestimmte Stellung der übrigen Achsen, wo elektronisch die horizontalen Koordinaten abgelesen wurden.
(Foto: hm)

Der 25-m-Spiegel war nicht immer das einzige Radioteleskop auf dem Stockert. Ein weiteres Teleskop mit 10 m Durchmesser befindet sich noch auf seiner Montierung. Empfänger und Steuerung wurden jedoch wieder ausgebaut. In den Jahren 1965 bis '75 wurde es für die Beobachtung der Sonne bei ca. 8 mm Wellenlänge eingesetzt. Das Interesse galt den plötzlichen Strahlungsausbrüchen ("bursts") der Sonne. Ähnliche Beobachtungen machte man mit weiteren Spiegeln von 1.2 m, 60 und 30 cm Durchmesser bei Wellenlängen von 17, 8 und 4 mm resp.

Im Jahre 1980 wurde Prof. Ulrich Mebold auf den Lehrstuhl für Radioastronomie berufen. Die Arbeit am Radioastronomischen Institut der Universität befaßt sich schwerpunktmäßig mit Untersuchungen unserer Milchstraße in mittleren und hohen galaktischen Breiten. Der Sehstrahl liegt also nicht in der Scheibe der Milchstraße, sondern führt in relativ kurzer Entfernung nach oben heraus. Daher kann man i.a. davon ausgehen, daß nicht mehrere räumlich getrennte Objkete auf dem Sehstrahl liegen und so zur Verwirrung beitragen. Beobachtungen betreffen das Radiokontinuum sowie Linienstrahlung, vor allem des Wasserstoffs (21 cm) und des Kohlenmonoxids. Zum Vergleich werden auch Daten im Infraroten, im sichtbaren Licht und in der Röntgenstrahlung herangezogen. Die Beobachtungen werden nur zum Teil mit den Bonner Radioteleksopen gemacht. Insbesondere für Detailuntersuchungen werden das Syntheseteleskop in Westerbork, Niederlande, und das "Very Large Array" in New Mexico eingesetzt.

Ferner wird die Erstellung des 11-cm-Surveys betrieben, der z.Z. noch mit dem Teleskop auf dem Stockert gemessen wird. Dieser steht in Zusammenhang mit einer Durchmusterung bei 11 cm, die in Effelsberg gemessen wird. Der Stockert liefert dabei die Übersichtskarten und die Eichung, in Effelsberg wird die Feinstruktur der galaktischen Ebene untersucht. Seit kurzem wird auch über aktive Zwerggalaxien und über ausgedehnte Halos von Spiralgalaxien geforscht. Eine weitere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Phänomenen im Sonnensystem, ist also thematisch eher der extraterrestischen Physik zuzuordnen.

Nach dreißig Jahren mögen die Radioastronomen den Stockert und ähnlich alte Instrumente etwas belächeln. Es ist klar, daß trotz der Modernisierung der Peripherie wie Empfänger, Steuerung und Datenreduktion die sensationsträchtige Radioastronomie auf dem Stockert nicht mehr stattfinden kann. Hachenberg ordnete den 25-m-Spiegel einmal in die zweite Generation der Radioastronomie ein. In der dritten Generation wuden zwei verschiedene Konzepte verfolgt, einerseits noch größere Einzelantennen wie etwa Effelsberg, andererseits die Zusammenschaltung mehrerer Antennen als Interferometer oder Syntheseteleskope. Die vierte Generation entwickelt entweder diese zweite Linie weiter (Very Large Array mit 27 Teleskopen von 25 m Durchmesser, Australia Telescope), oder strebt kürzeren Wellenlängen (mm oder sub-mm) zu. Gemeinsam mit Infrarot-Teleskopen auf Satelliten wird so die Lücke im elektromagnetischen Spektrum zwischen dem Radio- und dem optischen Fenster allmählich geschlossen.

Horst Meyerdierks
Radioastronomisches Institut
der Universität Bonn

Literatur:


TELESCOPIUM - Mitteilungen der Volkssternwarte Bonn Astronomische Vereinigung e.V.
Heft 52, Jahrgang 14 (1983), 2/1986
ISSN 0723-1121
Seiten 19, 20, 21, 22.